Zeichenkurs, Lektion 4: Figurenentwicklung 3 – Nebencharaktere entwerfen

Nebencharaktere sind in allen Geschichten von großer Wichtigkeit, das ist beim Comic nicht anders: Mit ihnen wird die Welt bevölkert, sie sorgen dafür, dass die Hauptcharaktere verortet werden können. Oftmals entwickeln sie sich auch zu immer wiederkehrenden Figuren, manchmal sind sie nur für die Authentizität der Story da.

Soldier © Daniel Gramsch/Aicomic

Mit Nebencharakteren wird eine Comicgeschichte erst wirklich rund: Nur wenn die Figuren im Vordergrund andere Personen haben, mit denen sie agieren können, kann die Welt glaubhaft werden und auch die Hauptcharaktere selbst werden dadurch nachvollziehbarer. Leider kann man häufig beobachten, dass ZeichnerInnen ihr mangelndes Interesse an den Figuren im Hintergrund auch durch ihre Beschäftigung mit diesen ausdrücken – dadurch mangelt es manchmal auch an der nötigen Qualität. Man sollte um der Geschichte Willen nicht darauf verzichten, die gleiche Detailverliebtheit, die man bei den Hauptcharakteren walten lässt, auch in die Nebencharaktere fließen zu lassen.

Mit Nebencharakteren die Welt bevölkern

Raumschiffbesatzung © Daniel Gramsch/Aicomic

Der Möglichkeiten für Nebencharaktere gibt es viele: Von der Besatzung eines Raumschiffs über die Bewohner einer Stadt, von Verwandten oder Freunden der Hauptdarsteller bis zu jenen, die ihnen das Leben schwer machen. Sidekicks und Gegner sollten allerdings nicht in diese Kategorie fallen, da sie zwar vielleicht nicht die titelgebenden Protagonisten der Story sein mögen, aber in ihrer Funktion deutlich näher an den Figuren im Fokus angelegt sind. Dennoch können die Grenzen fließend sein: Wiederkehrende Figuren im Hintergrund der Story können auch nach vorne gerückt werden, solche die sich im Vordergrund befinden nach hinten.

Dabei haben Nebencharaktere, die dichter an der Heldin/am Helden sind, verschiedene, wichtige Funktionen, die teilweise auch von Nebencharakteren übernommen werden können, die sich weiter weg befinden: Durch seine Nähe kann ein Sidekick dem/der HeldIn Charakterzüge im Kontrast geben, dem Leser angeben, an welchem Punkt in der Entwicklung sich die Protagonisten befinden und auch selbst als Ergänzung zu diesen Charakterzügen herhalten. Solche Neben-Hauptcharaktere sollten immer mit der gleichen Gründlichkeit behandelt werden.

Verortung der Helden durch Nebencharaktere

Gunslinger © Daniel Gramsch/Aicomic

Aber auch die etwas weiter weg befindlichen Nebencharaktere sollten niemals unter den Tisch fallen: Man stelle sich vor, der Protagonist der Story ist ein wortkarger Western-Held – würde er nicht im Saloon einen großmäuligen Gunslinger treffen, wäre er vermutlich nur eine Figur, der man keine Sprechblasen gegeben hat. Der Charakter wird erst in der Interaktion mit anderen deutlich.

Was wäre eine mächtige Armee ohne passende Soldaten? Während die meisten von ihnen in den meisten Geschichten doch nur besseres Kanonenfutter sind (man erinnere sich einmal an all die weißen Jungs aus den verschiedenen Star Wars Filmen), sollten einige von ihnen auch zumindest leichte Charakterzüge bekommen, damit die Leser mit den Figuren über ihr Design hinaus etwas anfangen können.

Wissenschaftler © Daniel Gramsch/Aicomic

Oder was wäre ein Geheimprojekt ohne die anwesenden Wissenschaftler? Irgendjemand musste Captain America ja auch sein Supersoldier-Serum verabreicht haben… Wenn diese Figuren nicht mit Sorgfalt ausgearbeitet werden, bleibt die Relevanz der Szenen auch für die Hauptdarsteller auf der Strecke…

Leute auf der Straße, Gäste im Café oder Supermarkt, all die Menschen, die vom Superhelden gerettet werden, Hilfskräfte im Krankenhaus, Mitschüler, U-Bahn-Fahrer, Personen auf einem historischen Marktplatz – wie auch immer die Geschichte aufgebaut ist, in welchem Genre sie spielt, die Nebencharaktere füllen die Welt nicht nur, sie sorgen dafür, dass die Leser den Comicschaffenden die Story auch abnehmen.

Bäckereifachkraft © Daniel Gramsch/Aicomic

Und selbst Kleinigkeiten des Alltags müssen plausibel und wahrhaftig behandelt werden: Wie soll man zum Beispiel glauben, dass die Heldin, der Held Hunger hat und genervt ist, weil die Wartezeit in der Bäckerei zu lange dauert, wenn die freundliche, aber langsame, Bäckereifachverkäuferin im Laden fehlt?

Sicherlich muss man für die Nebencharaktere nicht eine komplette Backstory erstellen und jedes Detail der Kindheit ausarbeiten, um sie dem Leser als ernstzunehmende Figur zu präsentieren. Man sollte sie aber auch weder von der Zeichenqualität noch von der Ausführung des Charakters unterschätzen. Noch ein kurzes Wort zu den Zeichnungen: Man sollte hierbei versuchen, verschiedene Merkmale jedes Mal neu miteinander zu verbinden (lange Nase – kurze Nase, runde Augen – schmale Augen, breiter Mund – schmaler Mund, kantiges Kinn – rundes Kinn, etc. pp.), denn dadurch erreicht man, dass sich Hintergrundfiguren nicht ständig ähnlich sehen und/oder zu sehr typisiert werden (auch wenn natürlich gerade bei den Nebencharakteren die Bindung an typische Merkmale und Funktionen größer ist, als bei den Hauptcharakteren).

Nächstes Mal werden wir uns in unserem zweiten Exkurs mit der Notwendigkeit von Skizzenbüchern beschäftigen, denn genau hier kann man auf die Schnelle mal eben Figuren entwickeln, die man später quasi aus dem Hut zaubert, wenn die Welt im Comic bevölkert werden soll.

Bis dahin: Viel Spaß beim Zeichnen!

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Eine Antwort zu “Zeichenkurs, Lektion 4: Figurenentwicklung 3 – Nebencharaktere entwerfen”

  1. Alexander sagt:

    Interessanter Beitrag. Sicher nicht verkehrt, sich mit der Thematik im detail auseinander zusetzen. Ich werde gewiss die weiteren Posts im Auge behalten.